Zeit für einen persönlichen Rückblick

Als Glückspilz im Ehrenamt: Meine fleißigen Migranten

Nein, das Engagement für Flüchtlinge ist nicht nur eitel Freude. Was habe ich mich schon geärgert über nicht wahrgenommene Verabredungen, über Unpünktlichkeit, unregelmäßige Teilnahme am Deutschunterricht, über die mangelnde Sauberkeit in den Gemeinschaftsräumen, sexistische Äußerungen junger Männer, unangemessene Anspruchshaltungen: „Nein, kein alter Elektroherd, nur einer ,oben glatt‘.“ Das heißt mit Ceranfeldern.

Ganz zu schweigen vom Frust bei den Versuchen der Zusammenarbeit mit Behördenvertretern, unter anderem vom Landratsamt, bis zur Empörung über nächtliche Abschiebungen einer albanischen Familie mit drei Mädchen, von denen man gerade festgestellt hatte, dass sie auftauten und Vertrauen gefasst hatten und zu fröhlichen Kindern geworden waren. Das gehört dazu, daran gewöhnt man sich oder, wie so mancher von uns inzwischen, man hört frustiert auf.

Heimfried Furrer (rechts) bei einer Fahrradaktion. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

 

 

 

 

 

 

 

 

Doch was mich motiviert, ist die erstaunlich positive Bilanz meiner Arbeit mit einzelnen Personen aus den unterschiedlichsten Ländern, Personen, denen ich begegnet bin, die ich näher kennengelernt habe, und die mich so sehr beeindruckt haben, dass ich gerne davon berichten möchte.

Es fängt an mit der Familie aus Togo, die ich über das Tandem-Programm der Volkshochschule kennengelernt habe, um ihnen Deutschunterricht zu geben. Vier Menschen mit sehr unterschiedlichem Sprachniveau gleichzeitig zu unterrichten, war zu schwierig und letztlich uneffektiv. Übrig blieb die wöchentliche Hilfe für das Mädchen, Nassira, das sich in der Realschule zunächst schwer tat. Im zweiten Jahr unserer Zusammenarbeit war sie so weit, dass sie erkannte, dass ihr Schulerfolg von ihrer eigenen Anstrengung abhing. Sie hat inzwischen – weitgehend ohne fremde Hilfe – ihren Realschulabschluss mit einer Eins vor dem Komma geschafft.

Das junge tunesische Paar, Hassen und Halima, das zu mir nach Hause kam, um Deutsch zu lernen, ließ sich auch durch ihre beiden kleinen Kinder nicht vom eifrigen Lernen abhalten. Sie fanden in einem Stadtteil von Lahr eine kleine Wohnung, die sie stilvoll renovierten und einrichteten, verbesserten ihr Deutsch in Volkshochschulkursen, während er nachmittags und abends noch einer Erwerbstätigkeit nachging. Jetzt macht er eine duale Ausbildung und hat einen guten Job.

Alina, einer jungen Frau aus Moldawien, habe ich dann Englischunterricht gegeben, weil sie diese Sprache für die Aufnahme in die Fachschule für Sozialpädagogik beherrschen musste. Dass sie ein Kind bekam, erschien mir zuerst als Rückschlag, aber sie lernte bei einer Freundin eifrig Deutsch und absolvierte dann erfolgreich die Ausbildung als Altenpflegerin. In diesem Beruf arbeitet sie jetzt.

Heimfried Furrer (rechts) im Gespräch mit Jürgen Siefert. – Foto: Freundeskreis Flüchtlinge Lahr

 

Ein Paar aus Nigeria besuchte seit 2015 meinen Deutschunterricht. Es gelang der Sozialarbeiterin und mir, Rasheed eine Arbeit bei einem Lahrer Unternehmen zu vermitteln, wo er so gut arbeitete, dass ihm sein Chef einen Ausbildungsplatz anbot. Nun besucht er die Berufsschule für seinen Handwerksberuf und lernt daneben in einem VHS-Kurs sowie einmal pro Woche mit mir Deutsch. Das Ehepaar, das inzwischen in Deutschland zwei Kinder bekommen hat, fand eine Wohnung in einer Umlandgemeinde, von der aus der Mann zwischen seinem Arbeitsplatz in Lahr, der Berufsschule in Offenburg und, zeitweilig, der speziellen Berufsschule in Bühl hin und her pendelt. Glücklicherweise fand sich über eine Bekannte ein gesamter Hausrat für die neue Wohnung. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich in die gemütliche und saubere Wohnung zum Unterrichten komme.

Diese Erfolgsgeschichten – und andere, von denen mir meine Mitstreiter und Mitstreiterinnen berichten, erfüllen mich mit einer Freude, die bei weitem den Frust überwiegt, den ich beschrieben habe. Sie motivieren mich weiterzumachen. Sie zeigen, dass es sich lohnt, diesen Menschen bei ihrem Start in Deutschland zu helfen, denn sie sind ein Gewinn für unser Land.

Heimfried Furrer